Assessment-Center

Assessment-Center

Ein Assessment Center (AC) ist eine Methode zur Beurteilung von Menschen, insbesondere in den Bereichen Personalauswahl und Personalentwicklung. Neben den Ergebnissen von Arbeitssimulationen oder anderen Übungen (Rollenspiele, Gruppendiskussionen, Konzeptionsübungen usw.) und deren Bewertung durch geschulte Beobachter („Assessoren“) können auch Leistungstests oder Persönlichkeitstests zur Beurteilung von Personen eingesetzt werden.

Funktion

Wie alle Personalauswahlverfahren hat auch das AC zwei Funktionen:

> Die Prüfung einer Auswahl von Kompetenzen (fachlich, sozial, etc.). Die „Stressresistenz“ (verursacht durch die prüfungsähnliche Situation) wird ebenfalls beobachtet.

> Die Rechtfertigung der Personalentscheidung: Um das Unternehmen vor Klagen zu schützen (Nichtbeachtung des Gleichheitsgrundsatzes), werden in den Auswahlverfahren nachvollziehbare und überprüfbare Entscheidungskriterien geschaffen.

Einsatz

AC laufen über einen oder mehrere Tage und sind daher kostspielig und zeitaufwändig. AC können für sehr unterschiedliche Personalbesetzungen eingesetzt werden. Dazu gehören Führungspositionen, aber auch Traineeprogramme und Praktika, vor allem in großen Unternehmen.

Einer Einladung zur Teilnahme an einem Assessment Center geht nicht immer eine Bewerbung um eine Stelle voraus. Auch unternehmensinterne ACs sind möglich, zum Beispiel im Rahmen einer Potenzialanalyse, die dazu dienen, einen Pool geeigneter Kandidaten für Führungsaufgaben auszuwählen (Development Center).

Variationen

Variationen oder Weiterentwicklungen, die im Wesentlichen die Assessment-Center-Methode anwenden, sind:

> Einzelbeurteilung (Center): Gibt es meist für das Topmanagement. Gründe für Einzel-ACs in der Praxis sind: diagnostische und datenschutzrechtliche Vorteile; die Bewerbungen müssen „geheim“ bleiben (der Kandidat hat den „alten Job“ noch nicht gekündigt); es geht um sensible Teile des Unternehmens, die nicht „jeder“ sehen soll; es gibt nicht genügend Bewerber für bestimmte Positionen usw.

> Management-Audit. Im Vergleich zum AC wird das Management Audit in der Regel von externen Beratungsunternehmen durchgeführt, um Manager und Führungskräfte zu bewerten. Ziel dieses Audits ist weniger die isolierte psychologische Eignungsanalyse eines Bewerbers als vielmehr die konkrete Betrachtung und Bewertung der individuellen Managementfähigkeiten und des Entwicklungspotenzials.

> Entwicklungs-AC/Entwicklungszentrum/Lernpotenzial-AC: werden meist für den gezielten Aufbau (Weiterentwicklung) von Mitarbeitern eingesetzt.

> Beispiele: im Zuge einer organisatorischen Veränderung und den damit verbundenen neuen Aufgaben, die bestehende Mitarbeiter/innen übernehmen sollen (Auswahl und Entwicklung der Betroffenen) oder zur unternehmensspezifischen Entwicklung von sehr gut ausgebildeten Auszubildenden, Nachwuchsführungskräften usw.

> Bewertungs-ACs: zur Kontrolle von Qualifizierungsmaßnahmen. Zum Beispiel wird nach der Ausbildung bewertet („evaluiert“), ob die Kandidaten die Inhalte auch in der Praxis oder in ihr eigenes Verhaltensrepertoire übernommen haben.

> Online-Assessments werden als einfache und kostengünstige Alternative eingesetzt.

> Computergestützte Personalauswahl: Die Beobachtungen im AC werden mit Computerhilfe aufgezeichnet und ausgewertet. Dies dient der effizienten Datenverwaltung und einer verbesserten Bewertungsobjektivität. Ebenso können z.B. Beobachter an fehlende Einträge erinnert werden oder alle Beobachtungen direkt auf einem Server berechnet werden.

> Potenzialbeurteilung: Die Potenzialeinschätzung wird Studierenden und jungen Berufstätigen angeboten, um ihre eigenen Stärken zu bewerten. Dieses eignungsdiagnostische Instrument dient der Klärung von Potenzial und Fähigkeiten, wobei der Schwerpunkt auf der Analyse der eigenen Stärken liegt.

Andere Bezeichnungen, unter denen ACs in der Praxis der Personalentwicklung zu finden sind, sind: Personalentwicklungs-/Entwicklungsseminar, Auswahlseminar, Offiziersanwärter-Prüfungszentrum, Unterstützungsseminar, Positionsbestimmungsseminar, Entwicklungszentrum, Potenzialanalyse-Seminar, erweiterte psychologische Untersuchung. (Oft liegt der Grund für die Wahl einer anderen Bezeichnung darin, dass die Einladung zu einem AC bei den Teilnehmern Ängste auslöst, die auf diese Weise vermieden werden sollen).

Methoden

Die natürliche Reaktion eines Menschen auf starken Stress ist die Flucht oder der Angriff. Jeder Prüfling ist genau diesem starken Stress ausgesetzt. Der Stress (Flucht- oder Angriffsinstinkt) wird mit verschiedenen Leistungstests und gruppendynamischen Aufgaben kombiniert. Mit anderen Worten: Der Prüfling soll in einer Extremsituation getestet werden.

Wesentliche Methoden der Assessment Center sind:

– strukturierte Interviews (oft zu Beginn),
– Gruppendiskussionen (jeder gegen jeden), meist soll dann ein in der Gruppe gefundenes Ergebnis präsentiert werden,
– Postkorb-Übungen, Helikopterblick (eine Befragung im Anschluss an die Postkorb-Übung, bei der der Kandidat seine individuellen Entscheidungen begründen muss),
– Rollenspiele (kritische Gespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, Gespräche mit Kollegen, Verkaufsgespräche),
– Präsentationsaufgaben, einzeln oder in kleinen Gruppen,
– Fallstudien,
– Faktenermittlung,
– Fragebögen (psychometrische Testverfahren: Persönlichkeits- und Leistungstests), Intelligenztests, schriftlich und am PC,
– Abschlussgespräch mit Bewertung und ggf. Stellenangebot,
– bei längeren AC auch Einladung zum Essen (Gabeltest).

Fast alle Bestandteile des ACs müssen unter Zeitvorgaben erfüllt werden, und insbesondere die Leistungstests sind so angelegt, dass kaum alle Aufgaben erfüllt werden können.

Qualitätskriterien

Der Verein Arbeitskreis Assessment-Center hat neun Qualitätskriterien definiert:

> Anforderungsorientierung: Im Vorfeld des Assessments sollten die Kompetenz- und Beobachtungsbereiche mit dem Arbeitsbereich und dem Ziel des Assessments klar definiert und die Inhalte geplant werden.

> Verhaltensorientierung: Die Teilnehmer/innen werden auf der Grundlage ihres tatsächlichen Verhaltens bei der Erledigung bestimmter Beurteilungsaufgaben beurteilt.

> Prinzip der kontrollierten Subjektivität: Um eine hohe Aussagekraft zu gewährleisten, muss das Personal für die Beobachtung bei der Beurteilung speziell geschult sein. Außerdem sollten mindestens zwei Beobachter die Bewertung überwachen.

> Simulationsprinzip: Um vorhandene Fähigkeiten beobachten und Entwicklungspotenziale beurteilen zu können, werden reale und typische Anforderungen aus der Arbeitswelt gezielt simuliert.

> Transparenzprinzip: Um Transparenz zu gewährleisten, sollten alle Beteiligten umfassend über die Durchführung, das Ziel und den Prozess sowie die spätere Verwendung der Ergebnisse informiert werden.

> Individualitätsprinzip: Jeder Teilnehmer sollte individuell beobachtet und bewertet werden. Dazu gehört auch ein individuelles, aussagekräftiges Feedback für jeden Teilnehmer, nachdem jede Bewertungsaufgabe durchgeführt wurde.

> Systemprinzip: Eine Beurteilung ist immer in einen größeren Zusammenhang eingebunden, d.h. die Nachbereitungssicherheit etc. sollte gewährleistet sein. Dieses Prinzip bedeutet auch, dass pro Kompetenzbereich mindestens zwei Arbeitsaufträge durchgeführt werden müssen, um verlässliche Ergebnisse erzielen zu können.

> Lernorientierung des Prozesses selbst: Der Prozess sollte immer wieder an neue Anforderungen und Zielgruppen angepasst werden und sich ständig weiterentwickeln.

> Organisierte Prozesskontrolle: Die Entwicklung, Durchführung und Auswertung eines Assessments stellt in der Regel einen komplexen, dynamischen Prozess dar, dessen Abläufe organisiert werden müssen.

Stärken und Schwächen

Stärken

AC werden für die psychologische Eignungsanalyse eines Probanden eingesetzt. Je nach Charakter und Persönlichkeit einer Person werden die Fähigkeiten und Fertigkeiten unterschiedlich eingesetzt, um Probleme zu lösen. Diese sehr individuellen Problemlösungen werden vom AC einzeln bewertet.

Kennzeichnend für ein AC ist, dass die zu beurteilenden Personen nicht nur in einer Situation (z. B. dem „klassischen Bewerbergespräch“), sondern in mehreren Situationen (Verhaltenssimulationen, Arbeitsproben) über einen längeren Zeitraum beobachtet und bewertet werden können. Insbesondere die zwischenmenschlichen Kommunikationsfähigkeiten und die Führungsqualitäten können von geschulten Beobachtern festgestellt werden, was sich aus Arbeitszeugnissen nicht mit demselben Maß an Sicherheit ableiten lässt.

Es ist wichtig, dass im AC zwischen vorhandenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen etc. und Fähigkeiten etc. unterschieden wird, die noch nicht entwickelt sind, aber grundsätzlich entwickelt werden können.

Schwächen

Kritiker/innen bestreiten die Eignung der Messungen und die Wirksamkeit von ACn. Demnach sind Manipulationsmöglichkeiten und Interessenkonflikte die stärksten Indikatoren für den fehlenden Nutzen. Außerdem wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die tatsächlichen Anforderungen bezweifelt.

Auch die starke Konzentration auf die Persönlichkeit des Teilnehmers wird kritisiert. Bislang konnte die Organisationspsychologie nicht nachweisen, dass Menschen mit bestimmten Eigenschaften besonders erfolgreich führen können. Dies wird damit begründet, dass bestimmte Eigenschaften, wie z. B. Intelligenz, von Menschen sehr unterschiedlich in Verhalten umgesetzt werden. In der Praxis scheint die Vorstellung von der „großen charismatischen Führungskraft“ dennoch verlockend zu sein.

Möglichkeit der Manipulation

Insbesondere wenn Persönlichkeitstests für die Auswahl von Mitarbeitern eingesetzt werden, besteht das Problem, dass die Ergebnisse von der Testperson manipuliert werden können: Die Fragen verraten fast immer, auf welche Charaktereigenschaften ihre Antwort hinweist und welche davon für die (Führungs-)Position positiv bewertet werden.

Das Problem bleibt auch dann bestehen, wenn geschickte Kontrollfragen eingesetzt werden, um die Kohärenz (innere Stimmigkeit) des Antwortverhaltens sicherzustellen. Allein die Tatsache, dass die Testperson glaubt, sie könne das Testergebnis in ihrem eigenen Interesse manipulieren, führt zu einer Verfälschung der Ergebnisse. Studien haben gezeigt, dass Versuchspersonen, die aufgefordert wurden, die Ergebnisse zu manipulieren, dies auch tun konnten.

Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass sich Menschen an verschiedene Rollen anpassen können. Die Fähigkeit, die Notwendigkeit einer Anpassung zu erkennen und dann entsprechend zu handeln (oder Reaktionsfähigkeit zu zeigen), kann ebenfalls als Testergebnis gewertet werden. Bei einigen Tests ermöglichen ein „Konsistenzindex“ und die Aufzeichnung des Antwortverhaltens, das Testergebnis auch auf dieser Ebene zu interpretieren. Diese Bewertungsebene geht jedoch weit über das Niveau der meisten AC hinaus.

Interessenkonflikte

Die Möglichkeit der Manipulation und der hohe wirtschaftliche Druck sind ideale Voraussetzungen für die Verfälschung der Ergebnisse. AC ist ein sehr teures Auswahlverfahren. Um die Kosten für das Unternehmen zu rechtfertigen, sollte das AC qualitativ hochwertige Ergebnisse liefern. Die neun Qualitätskriterien, die von der „Assessment Center Working Group“ entwickelt wurden, dienen dazu, die zahlreichen Möglichkeiten zur Fälschung von Ergebnissen zu minimieren, aber ganz verhindern lassen sich Fälschungen nicht.